Die Brücke zwischen den Gästen

Der helle Klang der Schiffsglocke an der Theke bringt blitzartig Stille ins gefüllte Hafen-Beizli, in welchem letzten Donnerstagnachmittag der Prolog eines Medienseminars der FHS St. Gallen stattfindet. „Oh, eine Runde“, erkennt ein Student den gewohnten Sinn dieses Klangs. Der Dozent Mark Riklin hat der Schiffsglocke jedoch für einmal eine andere Funktion zugeteilt: Sie soll an diesem Nachmittag den Startgong für verschiedene Gespräche sein. Die Wirtin Esther Brehm im gestreiften Seemanns-Pullover betritt die Anhöhe neben der Bar, wie eine Bühne anmutend. Esther Brem ist die erste Wirtin, mit welcher die Studierenden im Rahmen des Projektes „Stammtisch-Gepolter“ ins Gespräch kommen. Sie hat vor 1,5 Jahren das Hafen-Beizli übernommen und habe ihren Entschluss keine Sekunde bereut. „Ich liebe die Menschen und es gibt für mich nichts Schöneres als mit den Menschen zu arbeiten.“ Dabei ist es Esther Brehm wichtig, dass in ihrem Lokal die Leute durchmischt sind: „Das Lokal lebt, wenn verschiedene Charakteren ein- und ausgehen“. Sie bringt Leute zusammen, die sich nicht kennen oder Personen, die sich vor Jahren aus den Augen verloren haben. Es kommt vor, dass Seemänner im hauseigenen Gästebuch alte Seemanns-Freunde entdecken. Meist ist es Esther Brehm, die heimlich ein Zusammentreffen organisiert. Auf die Frage, wie sie fremde Leute zusammenbringt, meint Esther Brehm: „In den ersten 3 Sekunden, in denen die Gäste das Lokal betreten, muss ich sie abholen“. In dieser kurzen Zeit merkt sie, ob jemand Lust hat, sich zu anderen Leuten zu gesellen oder seine Ruhe sucht. Dank der Wirtin fühlen sich auch allein stehende Frauen oder Randständige in ihrem Lokal wohl. Brehm schlägt eine Brücke zwischen unterschiedlichen Gästen und versteht das Wirten als sozialen Auftrag.

Bild: Renata Zoller/Sonja Kälin