Am Eingang empfingen mich zwei Securitas-Mitarbeiter und fragten nach meinem Ticket für den heutigen Abend. Ticket?…äh, nein. Diese seien zwar kostenlos gewesen, ich hätte mich aber dennoch im Vorfeld darum kümmern müssen. Kurz vor Beginn der Veranstaltung fand sich dann noch ein Gast mit einem überzähligen Ticket, so dass ich doch noch zum öffentlichen Podiumsgespräch zur Neugestaltung von Marktplatz, Bohl und Blumenmarkt in der St. Galler Innenstadt vorgelassen wurde.
Als Expertinnen und Experten waren Stadträtin Elisabeth Beéry, der am Siegerprojekt beteiligte Architekt Martin Engeler, der Kultur- und Kunstwissenschaftler Peter Röllin und Markus Buschor vom Architekturforum Ostschweiz am 17.02.2009 ins Café News in St. Gallen eingeladen.
Ausgangspunkt für die Neugestaltung des Areals sei der Eindruck gewesen, die Innenstadt wäre ungeplant gewachsen. Als Ergebnis präsentiere sich nun dieser öffentliche Raum als “einer der hässlichsten Räume in der ganzen Schweiz“ (Peter Röllin). Diese Einschätzung wird sowohl von Elisabeth Beéry geteilt, die einen Platz für Begegnungen als notwendig erachtet, als auch von Martin Engeler, der mit dem Siegerprojekt „Josy & Orazio“ einen Stadtplatz mit Grösse und Ausstrahlungskraft anvisiert. Doch worüber identifiziert sich ein solcher Stadtplatz? Was macht ihn aus? Auf diese Fragen antwortete Markus Buschor, dass es auf die Gemeinschaft ankomme, die wiederum die Stadt ausmache. Man solle sich treffen, flanieren, schauen, einkaufen; und das vor allem als Stadtbewohner, nicht nur als Stadtkunde oder Tourist. Insofern solle das Marktplatzareal ein weltliches Gegenstück zu Kloster- und Gallusplatz sein.
Die hohen Erwartungen an das neu zu gestaltende Areal, aber auch dessen Bedeutung wurden immer wieder in teils heftigen Diskussionen um die raumbildenden Elemente (Markthalle, Calatrava-Haltestelle) deutlich. Elisabeth Beéry verteidigte die Idee einer kleineren Markthalle mit nur einem Anbieter pro Branche aufgrund eines rückläufigen Bedarfs an permanenten Marktständen. Diese Einschätzung wurde von den Zuhörern als Bevormundung der Bürger, die um ihre Auswahl gebracht würden, quittiert.
Und auch die Zukunft der Calatrava-Haltestelle heizte die Diskussion weiter an. Sowohl Elisabeth Beéry, als auch Peter Röllin und Markus Buschor unterstützten das Siegerprojekt, das sich ohne Calatrava-Haltestelle präsentiert. Dadurch könnte der Bohl wieder „sich selbst sein“ (Markus Buschor) und für die Qualität des Platzes brauche es keine „Alinghi ohne Hafen“ (Peter Röllin). Eine andere Meinung vertrat Marcus Waltenberg, Gründer der Facebook-Gruppe „Calatrava-Halle St. Gallen muss bleiben & mehr Bäume auf den Marktplatz!“. Er sieht die Calatrava-Haltestelle als Aufhänger des Platzes und befürchtet durch die Räumung die Entstehung einer Betonwüste.
Zudem kritisierte Marcus Waltenberg die Öffentlichkeitsarbeit der Stadt und die geringen Partizipationsmöglichkeiten bei der Neugestaltung. Es hätte schon viel früher Meinungsumfragen und gemeinsame Ideenwerkstätten geben sollen. Denn „der Platz gehört den St. Gallern und nicht den Politikern“ (Marcus Waltenberg).
Das Ringen um die Neugestaltung von Marktplatz, Bohl und Blumenmarkt ist bei weitem nicht abgeschlossen. Bevor im Verlauf des Jahres 2009 dem Parlament eine endgültige Vorlage zur Abstimmung präsentiert wird, müssen noch einige Überarbeitungen stattfinden (z.B. Verkehrsführung) und weitere Entscheidungen gefällt werden (z.B. Bäume, Möblierung).
Nach der Einschätzung von Peter Röllin bietet der Marktplatz viel Potential, das durch den Entwurf allerdings nicht ausgeschöpft wird. Und auch den Stadtrat ermahnte er, dass es seine Aufgabe sei, die Urbanität der Stadt zu steigern. Es bleibt mit Spannung abzuwarten wie diese Aufgaben und Fragen gelöst werden – und wie dabei die Begriffe öffentlicher Raum und Urbanität interpretiert werden.
Ein Grossteil der Zuhörer des Podiumsgesprächs forderte allerdings, dass eine endgültige Entscheidung über die Neugestaltung an der Urne erfolgen müsse.
Zum Weiterlesen:
Jurybericht der Stadt St. Gallen mit allen Projekten …hier…
Verschiedene Tagblatt-Artikel über die Suche-Funktion des Archivs (z.B. Neugestaltung Marktplatz) …hier…