Sozialräumliche Ansätze als Entwicklungsperspektive

Wie soll ein Lehrlingsheim seine Beziehungen zur Umwelt gestalten? Und wie kann es den eigenen Betrieb auf zeitgemässe und zukünftige Anforderungen ausrichten? Das Lehrlingswohnheim Winterthur untersuchte in Workshops mit Vorstand und Mitarbeitenden, wie weit Sozialraum-Konzepte eine Antwort sein können.

Immer weniger Meister seien bereit, ihren Lehrlingen Obdach und gesunde Verpflegung anzubieten, wenn diese nicht bei den Eltern wohnen könnten, so klagte vor hundert Jahren ein Autor in Zürich. Er rief zur Gründung eines Lehrlingsheims auf. Besonders gravierend sei, dass die Lehrlinge durch den Mangel an Familienanschluss und Aufsicht den Einflüssen von Kinos, Sportveranstaltungen und Ähnlichem schutzlos ausgesetzt seien. Allerdings, so der Autor weiter, sei nicht zu empfehlen, die Jugendlichen in „konviktähnlichen“ Einrichtungen von der Umwelt gänzlich zu isolieren, da hier wiederum andere negative Begleiterscheinungen aufträten.

Wie also soll hundert Jahre später ein Lehrlingsheim seine Beziehungen zur Umwelt gestalten?Als Ausgangspunkt in der Diskussion über Sozialraum-Konzepte stellte Workshopleiter Martin Müller vom IFSA-FHS die Frage nach dem sozialpädagogischen Grundauftrag angesichts einer sich stark verändernden Arbeitswelt. Wenn von Wirtschaftsexperten prognostiziert wird, dass die Menschen zukünftig im Lauf ihres Lebens nicht nur fünf oder sechs verschiedene Jobs ausüben, sondern oft mehrere Jobs gleichzeitig haben werden, wird deutlich: Disziplin und Ordnung können nicht wie vor hundert Jahren im Zentrum stehen.

In der Auseinandersetzung mit theoretischen Ansätzen und der Übertragung auf die eigenen Verhältnisse im Haus wurde herausgearbeitet, dass sozialräumliche Ansätze tatsächlich Entwicklungsperspektiven öffnen können. Ihre optimistische Grundhaltung stellte den eigenen Willen, das Erschliessen und Nutzen neuer oder bisher übersehener Ressourcen und den nahen Bezug zu Lebenswelten ins Zentrum. Sie richten sich auf das Schaffen von Gelegenheiten zur Aneignung sozialer Räume durch Jugendliche aus, wo sie Fähigkeiten, Ideen, Beziehungen ausprobieren und entwickeln können. Eine praktizierte kritisch-reflexive Haltung bewahrt dabei davor, Jugendliche in beengenden Vorstellungen der Erwachsenen einzuschliessen und bestehende Machtverhältnisse zu zementieren.

Die Auseinandersetzung mit den Fragen, um die eigene Situation zu analysieren, hätte richtig Lust gemacht und konkrete Möglichkeiten gezeigt, um „neue Gelegenheiten“ ganz im Sinne der Theorie zu öffnen, so das Fazit der Teilnehmenden am Ende des Workshops.