Interdisziplinäre und -professionelle Zusammenarbeit in der jugendforensischen Sozialpädagogik

Plädoyer für einen lebensweltlichen, sozialpädagogischen Blick auf straffällige Jugendliche und ihre biografischen Verläufe

Am Morgen des 27. Septembers 2021 hatten Marcel Aebi, Stefan Köngeter und Wolfgang Schmidt im Rahmen des Workshops „Jugendforensische Sozialpädagogik“ zum gemeinsamen Austausch geladen. Rund 30 Fachpersonen aus den Bereichen Sozialpädagogik und Sozialarbeit, Psychologie und Psychiatrie, Recht und Verwaltung, aus zuweisenden Behörden und Maßnahmen durchführenden Organisationen sowie aus der Wissenschaft sind der Einladung gefolgt und fanden ihren Weg an die OST.
Im Zentrum des Workshops standen zwei wesentliche Fragen:

  1. Wie kann die Kooperation und Kommunikation aller beteiligten Fachkräfte im komplexen Handlungsfeld der Jugendforensik (Abklärung, geschlossene Unterbringung, Übergang in andere Lebenskonstellationen) gelingen?
  2. Welche geteilte, professionelle (sozialpädagogische) Grundhaltung ist dafür notwendig und wie können die Aus- und Weiterbildungsangebote für Fachkräfte dementsprechend angepasst oder ausgebaut werden?

Um diese zwei Fragestellungen systematisch und informiert zu diskutieren, durften die Anwesenden jeweils drei Inputreferaten aus unterschiedlichen Disziplinen lauschen. Anhand von diversen Fallbeispielen aus der Praxis wurden dabei konkrete Herausforderungen im Alltag besprochen und aus rechtlicher (Jugendanwaltschaft), psychiatrisch-psychologischer (jugendforensische Gutachten) sowie sozialpädagogisch-sozialarbeiterischer (Durchgangsstation Winterthur) Perspektive beleuchtet. Im zweiten Teil der Veranstaltung bekamen die Gäste dann die Gelegenheit, sich in themenspezifischen Arbeitsgruppen zusammenzufinden und Verbesserungsvorschläge („Quick-Wins“) zu formulieren. Die wichtigsten, daraus resultierenden Forderungen ließen sich wie folgt festhalten:

  • Klare Kommunikation innerhalb und zwischen den einzelnen Stationen im Maßnahmenvollzug
  • Festlegung und Verfolgung von gemeinsamen, interdisziplinären Zielen über den gesamten Prozess hinweg
  • Sicherstellung von Partizipationsmöglichkeiten der Jugendlichen zu jedem Zeitpunkt
  • Lebensweltliche, sozialpädagogische Grundhaltung vonseiten der Fachkräfte, um sogenannten „Heimkarrieren“ von Jugendlichen vorzubeugen
  • Curriculare Ergänzungen im Studium der Sozialen Arbeit (mehr Praxisnähe und Reflexionsgefäße im Grundstudium) sowie Weiterbildungsangebote in der (sozialpädagogischen) Forensik
  • Entwicklung von qualitativen Standards in der Zusammenarbeit zw. Gutachter:innen und Sozialarbeiter:innen
  • Ganzheitlicher Blick auf die Jugendlichen hinsichtlich ihrer Lebenswelten und (künftigen) Biografien

Aus der abschließenden Feedbackrunde ging hervor, dass die Teilnehmenden den anregenden Austausch und die interkantonalen Vernetzungsmöglichkeiten sehr geschätzt haben. Es bestehe weiterhin großes Interesse an solchen Gesprächsräumen und einer längerfristigen Dokumentation von Fortschritten in der jugendforensischen Sozialpädagogik (bspw. auf einer Internetplattform).

Hier geht es zu einem Kurzbericht des Workshops:

Marcel Aebi: ABJ-Forensik Zürich & Justizvollzug und Wiedereingliederung, Departement der Justiz und des Innern, Kanton Zürich
Stefan Köngeter: Co-Leiter Institut für Soziale Arbeit und Räume, Ostschweizer Fachhochschule
Wolfgang Schmidt: Leiter dsw, Winterthur