Zeitvorsorge – Senevita-Förderpreis für Bachelor-Arbeit

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Unsere wissenschaftliche Assistentin und Master-Studentin Nicole Lieberherr hat einen Förderpreis der Senevetia Stiftung für Lebensgestaltung erhalten: Ihre Bachelor-Arbeit mit dem Titel «Die Zeitvorsorge – ein zeitversetztes Geben und Nehmen» wurde mit dem 2. Preis prämiert. Eine kurze Zusammenfassung der Arbeit.

Im Juni 2014 startete das Pilotprojekt Zeitvorsorge der Stadt St.Gallen. Rüstige Rentnerinnen und Rentner im Dritten Lebensalter leisten als Zeitvorsorgende Dienste für betagte Menschen im vierten Lebensalter. Gemäss dem Grundsatz der Alters- und Generationenpolitik der Stadt St. Gallen «ambulant vor stationär» sollen die Dienstleistungen der Zeitvorsorgenden dafür sorgen, dass Menschen im Vierten Lebensalter so lange wie möglich selbstbestimmt im eigenen Haushalt leben können. Zeitvorsorgende erhalten als Lohn die Stunden des Einsatzes auf dem persönlichen Zeit-Vorsorgekonto gutgeschrieben. Wenn sie selbst zu einem späteren Zeitpunkt Leistungsbeziehende werden, erfolgt das Nehmen. Sie können, entsprechend dem angesparten Zeitguthaben, in der Zukunft selbst Leistungen beziehen. Aktuell kümmern sich ca. 90 Zeitvorsorgende um das Wohl von ca. 65 bedürftigen Personen und helfen ihnen bei der Alltagsbewältigung.

BDP-Kantonsrat Richard Ammann möchte das Projekt Zeitvorsorge auf den ganzen Kanton ausweiten und hat im Frühling einen entsprechenden Vorstoss im Parlament eingereicht. Im Moment entfallen bei einem Wegzug aus der Stadt St. Gallen die gesammelten Zeitgutschrif-ten. Mit der Ausweitung des Projekts auf den ganzen Kanton wäre dieses Problem gelöst. Die Regierung will nun die Entwicklung auf Bundesebene abwarten: Im Nationalrat ist ebenfalls ein BDP-Vorstoss hängig. (St. Galler Tagblatt, 24. Juni 2016)

Der Beitrag der Zeitvorsorge im Gemeinwesen beinhaltet verschiedenste Aspekte. Die Zeit-vorsorge ermöglicht das praktische Anwenden von Solidarität und sorgt in Form des ange-sparten Zeitguthabens für die Anerkennung der geleisteten Dienste. Menschen im Dritten und Vierten Lebensalter profitieren von neuen sozialen Kontakten und erfahren dadurch gesell-schaftliche Teilhabe. Ein weiterer wichtiger Beitrag ist die Entlastung und Unterstützung von pflegenden Angehörigen. Solidarökonomische Lösungen wie die Zeitvorsorge sollten nicht der Zivilgesellschaft alleine überlassen werden. Neben der finanziellen staatlichen Unterstützung durch die Stadt St.Gallen bietet das städtische Engagement eine psychologische Stütze und Sicherheit für alle Beteiligten.
Inwiefern die Zeitvorsorge einen Teil zur Deckung des angenommenen erhöhten Bedarfs an Betreuungs- und Pflegeleistungen beitragen kann und zur Eindämmung der Kostensteigerung bei der Betreuung von älteren Menschen mithilft, wird sich erst im Laufe der Zeit zeigen. Si-cherlich bewirkt die Zeitvorsorge eine Aktivierung der Rentnerinnen und Rentner zu gesell-schaftlichem Engagement und fördert für die Zeitvorsorgenden die gesellschaftliche Wert-schätzung ihres Engagements.