Bedrohtes Wohnen in der Schweiz – die Sicht der Betroffenen

Ob Sanieren, Abreissen, neu Bebauen oder Aufstocken: Die Erstellung von neuem Wohnraum sowie die bauliche Aufwertung bestehender Wohnungen ist erst einmal nichts Negatives und wird in der Schweiz auch politisch stark forciert. Jedoch führen diese Massnahmen, die unter dem Leitbild der «Siedlungsentwicklung nach Innen» oder der «Verdichtung» geplant und umgesetzt werden, immer häufiger dazu, dass Menschen ihre Wohnungen verlassen müssen. Was bedeutet dies für die betroffenen Mieterinnen und Mieter? Wie gehen sie mit dem Verlust ihrer Wohnung um? Und wie können negative soziale Folgen von baulichen Entwicklungen abgemildert werden?

Diesen Fragen ist ein interdisziplinäres Projektteam am Institut für Soziale Arbeit und Räume der OST – Ostschweizer Fachhochschule während den letzten vier Jahren im vom Schweizerischen Nationalfonds geförderten Forschungsprojekt ‘Entmietet‘ und verdrängt werden – eine qualitative Studie zum Umgang mit Wohnungskündigungen im Zuge von baulichen Aufwertungen und Verdichtungen nachgegangen. Dazu wurden in drei Siedlungen in der Deutschschweiz Fallstudien durchgeführt. Die ausgewählten Siedlungen wurden alle mittels baulicher Massnahmen «aufgewertet» und standen zum Zeitpunkt der Erhebung mitten im oder kurz vor der Totalsanierung bzw. dem Ersatzneubau. Es wurden zwanzig qualitative Interviews mit betroffenen Mieterinnen und Mietern geführt, ausführliche Feldnotizen auf Basis von Begehungen und Beobachtungen in den Siedlungen erstellt und Interviews mit Fachleuten aus Politik, Verwaltung, Verbänden und Sozialwesen geführt. Zwecks Kontextualisierung der Geschehnisse wurden zudem fallspezifische «Siedlungsportraits» erstellt.

In der Analyse der vielfältigen Daten wurde deutlich, dass die Wohnungskündigung für viele Menschen ein erschütterndes, verunsicherndes und beängstigendes Erlebnis ist. Hinzu kommen Gefühle von Ohnmacht und Fremdbestimmung. Mit diesen gilt es, einen Umgang zu finden, was oft nicht leichtfällt. Darüber hinaus zeigte sich einmal mehr, dass Wohnen mehr als ein Dach über dem Kopf ist. Denn mit dem Verlust der Wohnung geht auch der Verlust von sozialen Beziehungen, Identität, Zusammenhalt und vielem mehr einher; ein Neustart an einem anderen Ort ist oft mit Hürden verbunden.

Das Projekt konnte vor Kurzem erfolgreich abgeschlossen werden, einige Erkenntnisse wurden bereits publiziert. Eine umfassende Buchpublikation zu den Ergebnissen wird im Laufe dieses Jahres im transcript Verlag erscheinen.

Ausführliche Informationen zum Projekt finden Sie hier.