Interkulturelle Zusammenarbeit Schweiz-Russland

KTI Novartis_FHS

Ein interdisziplinäres Team der FHS St.Gallen erforscht in einem aktuellen KTI-Projekt die interkulturelle Zusammenarbeit zwischen den Schweizer Unternehmen Bühler, Novartis und Lafarge-Holcim und ihren Tochterfirmen in Russland. Die Expertinnen und Experten aus der Wirtschaft und der Sozialen Arbeit untersuchen dabei Unterschiede in den Bereichen Organisation, Kommunikation und Finanzen. Das Team möchte herausfinden, ob kulturelle Unterschiede im Unternehmen zu finanziellen Reibungsverlusten führen, und diese in einem zweiten Schritt auch berechnen. Regula Flisch vom Institut für Soziale Arbeit ist stellvertretende Projektleiterin. Im nachfolgenden Interview berichtet sie von den Gesprächen mit russischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und verrät erste Erkenntnisse.

Sie sind gerade von Ihrem zweiten Besuch in Moskau zurückgekehrt. Wo stehen Sie derzeit mit Ihrem Forschungsprojekt?

Regula Flisch: Wir haben mit Mitarbeitenden der russischen Tochterfirma von Lafarge-Holcim qualitative Interviews geführt. Die Befragten füllten in einem ersten Schritt quantitative Fragebogen zur interkulturellen Zusammenarbeit aus. Im persönlichen Gespräch haben wir diese Fragestellungen nun vertieft. Das Gleiche haben wir im vergangenen Februar mit Mitarbeitenden der Firma Bühler und Novartis in Russland gemacht. Nun interviewen wir auch die Mitarbeitenden in der Schweiz. Ziel ist es, interkulturelle Unterschiede in der Organisation und Kommunikation zu identifizieren und dann zu untersuchen, ob diese zu finanziellen Reibungsverlusten führen oder nicht. Die Erkenntnisse möchten wir im kommenden Herbst vorstellen.

Haben sich aus den ersten Gesprächen bereits erste Tendenzen ergeben?

Flisch: Zwischen den Kulturen in der Schweiz und Russland gibt es grosse Unterschiede. Der Kollektiv-Gedanke ist in Russland immer noch ausgeprägt und steht im Gegensatz zum zunehmenden Individualismus in der Schweiz. Wir haben in den Gesprächen gemerkt, dass die Erinnerungen an dem Kommunismus gerade bei der älteren Generation der russischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch präsent sind. Die Skepsis gegenüber dem, was von aussen kommt, ist spürbar. Die Russinnen und Russen bevorzugten demzufolge auch ein Gespräch zu viert: zwei Vertreter des Forschungsteams und zwei Mitarbeitende. Ein Zweiergespräch hätte sie zu stark an eine Verhör-Situation erinnert.

Wie haben sie die jüngere Generation der Mitarbeitenden erlebt?

Flisch: Im Gegensatz zu ihren älteren Kolleginnen und Kollegen waren sie weniger zurückhaltend mit Informationen. Viele Mitarbeitende zeigten aber – unabhängig von der Generation – grosses Interesse an der Schweiz und unserer Unternehmenskultur.

Welche interkulturellen Unterschiede in der Organisationskultur konnten Sie bereits feststellen?

Flisch: In Russland ist das Führungsmodell eines klassischen «Patrons» noch stark verankert. Das hat sich durch alle Gespräche abgezeichnet. Jetzt geht es darum, herauszufinden, was das für die Organisationsstruktur bedeutet und worauf die Schweizer Mutterfirma in der Zusammenarbeit achten musst. Ziel unseres Forschungsprojekts ist unter anderem auch, einen Leitfaden für Firmen auszuarbeiten: Was bedeutet es, eine Tochterfirma in Russland zu haben? Was muss man dabei beachten? Spannend wäre übrigens auch, die interkulturellen Unterschiede zwischen Russland und Indien zu untersuchen.

Warum Indien?
Flisch: Die russischen Mitarbeitenden berichteten uns, dass die Unterschiede zur Schweiz aus ihrer Sicht nicht so gross seien. Die Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern in Indien sei kulturell bedingt viel herausfordernder. Gerade in Bezug auf finanzielle Reibungsverluste wäre dies eine spannende Erweiterung unseres Forschungsprojekts.

Wie erleben Sie die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Forschungsteam?

Flisch: Ich persönlich sehe in der intensiven Zusammenarbeit zwischen dem Fachbereich Wirtschaft und dem Fachbereich Soziale Arbeit sowie externen Fachleuten einen grossen Gewinn. Bei unserem Forschungsprojekt ist die Interdisziplinarität schon in der Fragestellung gegeben: Wenn wir finanzielle Reibungsverluste berechnen wollen, gehören dazu soziale Fragestellungen in den Organisationen wie Unternehmenskultur, Umgang mit Mitarbeitenden etc. Die Arbeit in unserem interdisziplinären Team ist hochspannend und auch befruchtend.

Interview: Lea Müller

 

KTI-Projekt «Intercultural Performance Management»
Projektdauer: Juni 2016 bis Oktober 2017

Beteiligte der FHS:
Projektleitung: Prof. Dr. Wilfried Lux IFU-FHS
Stv. Projektleitung. Regula Flisch IFSA-FHS
Dr. Christa Uehlinger, Dozentin für interkulturelle Kommunikation an der FHS

Externe Beteiligte:
Karl-Heinz Oehler der Firma Denison Consulting Europe
Irene Hotz-Glanzmann der Firma intercultures swiss GmbH