Soziale Rendite auf Partizipation?

Beispiele aus Forschung und Entwicklung im Feld kontextuierten Wohnens Älterer

Wohnen wird mehr und mehr als eines der „Top-Themen alternder Gesellschaften“ erkannt. Das ist aus Sicht sowohl der Gerontologie als auch der Sozialen Altenarbeit eine chancenreiche Fokussierung – gerade wenn Wohnen im Älterwerden als „Wohnen im Kontext“, als eingebettetes Wohnen im Quartier, in sozialen Räumen und sozialen Netzwerken begriffen wird. Partizipation spielt dabei eine wichtige Rolle.

Mit Fokus Wohnen weg vom Versorgungs- hin zum Partizipationsleitbild

Warum chancenreich? der Wohnfokus kann einerseits heraus führen aus der Verengung der öffentlichen und professionellen Debatte auf Versorgung und Pflege. Andererseits bietet er auch für diesen Bereich eine herausfordernde Leitidee – das Wohnen in der Pflege bzw. Pflege im Wohnen. (vgl. Aufsatz Otto, 2010)

Deshalb setzen wir im Kompetenzzentrum Generationen (CCG-FHS) gleich mit mehreren F+E-Projekten auch am Thema Wohnen an, meist interdisziplinär, meist lebenslaufbezogen, im produktiven Austausch mit dem Kompetenzzentrum Soziale Räume (SR-FHS):

  • Etwa mit Consulting- bzw. F+E-Projekten, die innovative Wohnformen sowie quartiersorientiertes Wohnen fördern und genauer untersuchen,
  • mit interdisziplinären Projekten, die soziale und technische Assistenz, neue Technologien und soziales Umfeld zusammenbringen wollen mit dem gleichen Ziel – ambient assisted living.

Stellvertretend für die CCG-Forschungsaktivitäten schauen wir nur ein Projekt genauer an: Das binationale Projekt „InnoWo“ buchstabiert Partizipation mehrdimensional in einer der schwersten Alterssituationen konsequent aus – Ziel ist das Zuhause wohnen bleiben können bis zum Schluss in drei innovativen Settings:

  • Basis im ersten Fall ist die angestammte herkömmliche Häuslichkeit. Eine aussergewöhnlich intensiv begleitende best-practice-NPO bietet eine sorgfältig eingeleitete Begleitung auch stark pflegebedürftiger Älterer mit gerontopsychiatrischen Symptomen. Selbstbestimmung ist hier in der Regel höchst gefährdet – ob im Heim, in Form der Übersiedlung in stationäre Pflege oder auch zuhause. Eine systematische Orientierung am Willen, an den eigenen Bedürfnissen wird oft einfach für unmöglich erklärt. Stattdessen herrschen allzuoft professionelle Befürsorgung und/oder überforderte Laienhilfe. Im Projekt soll untersucht werden, wie sehr einer so verstandenen Partizipation auch in diesen so stark überformten Lebenssituation noch zur Geltung verholfen werden kann. Die ersten Ergebnisse sind sehr ermutigend. Sie zeigen aber auch, welch fundamentale Herausforderung eine entsprechende intensive Begleitung und konsequent eine qualitätvolle „ambulant-vor-stationär-Orientierung ausbuchstabiert werden muss, wenn sie diese Form der Partizipation anzielt: die eigenen Bedürfnisse auch dann noch zur Geltung zu bringen.
  • Das zweite innovative Setting im Projekt InnoWo bilden gemeinschaftliche Wohnformen – es verbindet sie meist eine ebenfalls spezifische Partizipations-Idee: eine Idee gemeinschaftlich geteilter Lebensvollzüge, Räume, Verantwortungsübernahme. Viele behaupten es, viele fragen es sich: ob diese Partizipationsformen von Teilhabe und Anteilnehmen die Basis für so intensive „Wahlverwandtschaft“ bieten könnte, dass sogar bei hohem Hilfebedarf partizipativ geholfen wird? Diese Projektfrage entsteht wegen der im Schnitt noch jüngeren BewohnerInnen gerade erst neu. Gelebte Partizipation im gemeinschaftlichen Wohnen als lebensweltliches Fundament intensiver Hilfe?
  • Im dritten Setting geht es nochmals anders akzentuiert darum, welche „soziale Rendite“ durch gelebte Partizipation entsteht – diesmal auf der Basis professioneller Nachbarschaftsförderung: diese partizipationsorientierte GWA ist eines der Alleinstellungsmerkmale der „Lebensräume für jung und alt“. Über 25 dieser kleinen Siedlungen generationsübergreifenden Wohnens bestehen bereits teilweise seit vielen Jahren. In beiden Gemeinschaftswohnformen interviewen wir Menschen im fragilen Alter über einen längeren Zeitraum und versuchen in intensiven Fallstudien erste Antworten zu finden.

Warum Soziale Arbeit partizipieren sollte

Partizipatives Wohnen Älterer im Kontext – Soziale Arbeit kann in diesem breit verstandenen Feld ungemein viel einbringen: das beginnt bei der partizipativen Ge­staltung öffentlicher und halböffentlicher Räume, geht über die Moderation zivilgesellschaftlicher Mit­gestaltungsräume und geht weiter mit dem Erfahrungsschatz Sozialer Arbeit bei der Kultivierung einer sozialräumlich erfahr- und nutzba­ren Dienstleistungslandschaft mit hochflexiblen integrierten sozialen Diensten – aber systematisch auf der Basis der ko­pro­duk­tiven Verantwortung aller wichtigen Instanzen im welfare mix. Und es endet noch längst nicht mit der Fähigkeit, die unterschiedlichen Anspruchsgruppen – nicht zuletzt auch die un­terschiedlichen beruflichen und Professionsgruppen bei gemeinsamen nachhaltigen Lernprozessen zu unterstützen – wesentlich im Horizont multiprofessioneller aber partizipationsoffener Kooperation.

Das „kann einbringen“ ist freilich nur die kompetenz- und erfahrungsbezogene Seite der Medaille, die andere Seite – der konkrete Ort für dieses Einbringen-können – ist nur prekär gegeben, er Die Partizipation der Sozialen Arbeit an dieser gesellschaftlichen Grossaufgabe ist selbst prekär, sie muss vielerorts neu oder immer wieder neu erkämpft und erobert werden, sie hat keine klar institutionalisierte home-base, keine gesicherten Domänen. Interdisziplinär orientierte Forschung und Entwicklung für best practice kann das Gewicht der Disziplin und Profession Sozialer Arbeit hier deutlich herausstellen und weiter stärken.